Zum Start des neuen Schuljahres und zur heutigen Pressekonferenz von Kulturminister Alexander Lorz erklärt der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Christoph Degen:
„Die noch amtierende Landesregierung aus CDU und Grünen hat es in nahezu zehn Regierungsjahren nicht einmal ansatzweise geschafft, die großen Herausforderungen, vor denen unsere Schulen stehen, anzugehen. Hessen schneidet in allen Bildungsvergleichen bestenfalls mittelmäßig ab – Tendenz: sinkend.
Dass sich der Kultusminister dennoch für vermeintliche Erfolge lobt, zeigt, in welchem Maß er den Kontakt zur Wirklichkeit an den Schulen verloren hat, für die er die politische Verantwortung trägt.
Die drei großen Problemfelder in den hessischen Schulen sind der chronische Lehrkräftemangel, die schleppende Digitalisierung und die mangelhafte Vorbereitung auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, der ab 2026 für alle Erstklässler gilt. Und für keines dieser Probleme hat der aktuelle Kultusminister von der CDU eine Lösung“, so Christoph Degen.
Hessen benötige erst einen personellen Neustart an der Spitze des Kultusministeriums und dann Lösungen statt schöner Worte. Derzeit seien in Hessen mindestens 1.000 Stellen von Lehrkräften gar nicht besetzt, 10.000 Personen würden als Vertretungslehrkräfte eingesetzt, obwohl sie über keinerlei Lehrbefähigung verfügten. Wenn aber die wenigen Bewerberinnen und Bewerber für den hessischen Schuldienst auch noch mit prekären Arbeitsbedingungen durch Kettenverträge und Sommerferienarbeitslosigkeit abgeschreckt würden, könne sich an der angespannten Personalsituation nichts ändern, sagte Degen.
Fach- und Lehrkräftemangel zukunftsfest bekämpfen
Als wesentlichen Baustein zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels sieht Degen neben einem Ausbau der Studienkapazitäten vor allem die berufsbegleitende Qualifizierung der vielen Vertretungslehrkräfte, die bisher über keine Lehrbefähigung verfügen. Studienabsolventen müssten zudem eine Garantie auf einen Platz im Vorbereitungsdienst erhalten, und den Schulen sollten mindestens zwei Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst anrechnungsfrei zur Verfügung gestellt werden.
Zudem werde der Lehrerberuf nicht attraktiver durch Schönrednerei. „Mit mehr Qualifizierung, Entlastungen und überhaupt besseren Arbeitsbedingungen sowie zusätzlichem Personal für unterrichtsfremde Aufgaben, könnten Lehrkräfte sich auf ihr Kerngeschäft Unterricht konzentrieren. Dies ist neben einer angemessenen Bezahlung und schnelle Einführung von A13 für Grundschullehrkräfte wichtig, um genügend Lehrkräfte zu gewinnen und halten zu können. Denn nur mit qualifizierten Lehrkräften, die durch pädagogische Fachkräfte, Schulpsychologie, Verwaltungs- und Gesundheitsfachkräfte sowie Schulsozialarbeit unterstützt werden, legen wir die Basis für gute Bildung und Ausbildung der Fach- und Lehrkräfte von morgen. Jeder junge Mensch, der die Schule ohne Abschluss verlässt, ist einer zu viel“, so Christoph Degen.
Digitalisierung ist auch Landesaufgabe
„Digital gestütztes Lernen ist ein wesentlicher Beitrag zu individuellen Förderung und kann mittelfristig Lehrkräfte beim Unterrichten unterstützen. Aber noch immer sind nicht alle Schulen mit schnellem WLAN ausgestattet, geschweige denn alle Lehrkräfte fortgebildet. Ob eine Schülerin oder ein Schüler auf ein eigenes Gerät zugreifen kann, hängt in Hessen weiter vom Geldbeutel der Eltern ab. Von gleichen Lern- und Lehrbedingungen sind wir in Hessen weiter meilenweit entfernt. Wir wollen mit einer digitalen Lernmittelfreiheit sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler analog zum Schulbuch mit einem Tablet lernen können. Anstatt die Verantwortung für moderne Schulen immer wieder auf die Schulträger abzuschieben, muss das Land endlich vorangehen. Nur mit Schaufenster-Trucks durch das Land zu fahren und den Schülern zeigen, wie eine moderne Schule aussehen könnte, ist nicht genug“, stellte Christoph Degen fest.
Rechtsanspruch an Grundschulen als Beitrag gegen den Fachkräftemangel
In drei Jahren schon greift der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im ersten Jahrgang der Grundschule. Viel Zeit ist nicht und die von uns geforderte Analyse zum Bedarf an Betreuungsplätzen und den Kosten der Städte und Kreise liegt immer noch nicht vor. Vielen hessischen Kommunen fehlen auch wegen des enormen Investitionsstaus die Mittel für den Ganztagsausbau – nicht nur an Grundschulen. Zusätzliches Personal für den Ganztag muss gefunden und neu eingestellt werden. Aber auch hier zeigt das Land auf die Kommunen anstatt den Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung über das Schulgesetz an den Grundschulen abzusichern.
Dazu sagte Degen: „Nur ein guter und verlässlicher Ganztag sichert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zu viele Eltern stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil das Land Hessen seit Jahren den Ganztagsausbau vernachlässigt. Das muss sich ändern. Mehr Ganztag ist erhöht nicht nur die Bildungschancen unserer Kinder, sondern ist auch ein wesentlicher Beitrag gegen den Fachkräftemangel.“
Berufliche Bildung stärken, Arbeitslehre an Gymnasien einführen
„Die Stärkung der beruflichen Bildung findet bei Schwarz-Grün nur auf dem Papier oder in Sonntagsreden statt. Fehlende Ausbildungsreife von Schulabgängerinnen und -abgängern, zu wenig Wissen über berufliche Wege und zu hohe Studienabbrecherquoten gehen auf das Konto der bisherigen Landesregierung. Junge Leute fühlen sich nicht ausreichend auf die selbstständige Lebensführung und die Berufswelt vorbereitet.
Wir sehen eine frühe und strukturell an jeder Schule abgesicherte berufliche Orientierung als Schlüssel für eine gelingende Berufswahl und insbesondere für eine Stärkung des Handwerks und überhaupt der dualen Ausbildung an. Wir fordern deshalb die Verankerung von Arbeitslehre an Gymnasien in einer modernen Konzeption, die auch Verbraucher-, Rechts- und Finanzbildung sowie Digitalkompetenz vermittelt. Zudem wollen wir wohnortnahe Ausbildungsgänge an Beruflichen Schulen sichern und auch diese mit einem Investitionsprogramm konkurrenzfähig zum akademischen Bildungsweg machen“.