Vor dem Traditions-Café Kissler auf der Kaiserstraße stehen zwei Bistro-Tische eng an der Schaufensterfront – mehr lassen Gehwegbreite und Corona-Abstandsbestimmungen nicht zu. Für den Inhaber Eray Tasci zu wenig, um Gäste in der Außenbewirtung zu versorgen, wie er der SPD-Delegation (Stadträtin Evy Weiß, Ortsvereinsvorsitzender Jürgen Volz und Fraktionsvorsitzender Dr. Klaus-Dieter Rack) mitteilt. „Wer will schon unser Frühstück oder Kaffee und Kuchen hier draußen entweder nur im Stehen oder auf kargem Platzangebot einnehmen?“, fragt Tasci.
Dabei ist die Frühstücksqualität des Cafés weithin bekannt und selbstgemachter Kuchen wurde vom Bäcker- und Konditormeister Georg Kissler hier schon vor 120 Jahren an Friedbergs Bürgerschaft verkauft. Eray Tasci hat vor sieben Jahren „das Kissler“ übernommen und mit rund 10 Beschäftigten bislang erfolgreich geführt. Das Stammpublikum machten meist ältere Personen im Rentenalter aus, die vor allem im Herbst und Winter in der behaglichen Café-Stube die kreative Kuchen-Vielfalt genossen.
Doch die Corona-Krise hat alles jäh verändert. Das „Kissler“ musste wie andere Friedberger Gastronomiebetriebe zwei Monate geschlossen bleiben, von den Beschäftigten gingen einige in Kurzarbeit, Aushilfskräfte konnten nicht gehalten werden. Tasci beantragte staatliche Soforthilfe, die ihm über die ersten Wochen half, wofür er sich bei Land und Bund bedankt. Aber die monatlichen Fixkosten (Miete, Strom, etc.) blieben bestehen, denen keine Einnahmen aus dem Café-Betrieb gegenüberstanden. Übergangsweise nähte Tasci Mund-Nasen-Schutzmasken, verkaufte sie an Rewe und hielt sich so leidlich über Wasser.
Allerdings zehrte die Dauer der behördlich angeordneten Geschäftsschließung nicht nur an den Nerven, sondern auch an der materiellen Substanz und Reserve. Als das Café ab dem 15. Mai unter Beachtung von Abstands- und Hygieneregeln wieder öffnen durfte, kamen aber die Gäste gerade der „Risikogruppen“ nur zögerlich und schon gar nicht wie vor der Krise zurück. Im Moment blickt Eray Tasci, mit seiner ihm im Geschäft zur Seite stehenden Mutter, in eine ungewisse, eher düstere Zukunft. Er hat im Privatbereich alle Verbindlichkeiten gestreckt, muss selbst mit seiner Frau und den beiden Söhnen eine kleinere Wohnung beziehen. „Es geht schlichtweg ums nackte geschäftliche Überleben“, sagt er ungeschminkt, aber auch mit leicht verzweifeltem Anklang zu den SPD-Kommunalpolitikern.
Seine Hoffnung auf Neubelebung des Cafés setzt er in noch mit der Stadtverwaltung abzuredenden Nutzungen der Parkplätze vor seinem Geschäft, auch wenn er sich die Anschaffung eines „Schafstalls“ zur Außenbewirtung, wie nebenan der Eissalon, in der Corona-Krise nicht leisten kann. Die SPD-Politiker weisen ihn abschließend auf das neue „Überbrückungshilfe-Programm“ der Union/SPD-Bundesregierung hin, das kleinen und mittleren Unternehmungen gewährt werden soll, die ihre Geschäftstätigkeit in der Krise zu wesentlichen Teilen oder gar vollständig einstellen mussten. Beratungshilfe bei der Antragstellung kann durch die IHK Gießen-Friedberg am Goetheplatz erfolgen.