Mit Verwunderung haben SPD und Grüne die Äußerungen des CDU-Stadtpolitikers Patrick Stoll zur geplanten Einführung eines Quartiersmanagements in der Altstadt zur Kenntnis nehmen müssen.
Verwunderung deshalb, weil die CDU in der letzten Koalition mit den Grünen mit der Einführung einer Integrationsbeauftragten bereits die Grundlagen für die Errichtung einer entsprechenden Haushaltsstelle gelegt hatte. Die CDU war klar für eine Verbesserung der Integrationstätigkeiten durch die Stadt. Und so war es dann auch im damaligen Koalitionsvertrag durch die CDU per Unterschrift festgelegt. Jetzt hält Stoll die logische Weiterentwicklung dieser Bemühungen für einen Irrweg. Er habe mit den Bewohnern der Altstadt gesprochen, und die brauchten so etwas nicht, man wäre glücklich, würde die Stadt mit schlichten Ordnungsmaßnahmen reagieren. Abgesehen davon, dass die Stadt schon mit Ordnungsmaßnahmen reagiert hat und dabei schon erste Erfolge zu verzeichnen sind, ist aber auch zu fragen, was denn dort mit Ordnungsmaßnahmen bekämpft werden soll ?, fragt sich Grünen-Fraktionsvorsitzender Horst Weitzel.
Auch SPD und Grüne haben mit den Anwohnern der Altstadt gesprochen, und dabei wurden vielfältige Problemfelder aufgezeigt. Dass Herr Stoll darauf nur mit Ordnungsmaßnahmen reagieren will, ist betrüblich und wenig zielführend, bedauert SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Götz. Allein seine Aussage, es gebe tagsüber keine Probleme in der Altstadt, die einem Quartiermanagement zugänglich seien, sondern einzig nachts einige Ruhestörungen, und dann habe der Quartiermanager eh Feierabend, zeige, wie wenig er mit Maßnahmen einer sozialen Stadt anfangen könne und wie wenig ernst er die Probleme tatsächlich nehme. Prävention scheint für Herrn Stoll ein Fremdwort. Man hält bei sozialen Problemen lieber mit Ordnungsmaßnahmen dagegen. Das Bearbeiten der Ursachen kommt in seinem sozialen Weltbild anscheinend weniger vor, so Götz und Weitzel.
SPD und Grüne weisen darauf hin, dass die Idee, ein Quartiermanagement in der Altstadt einzurichten, auf Untersuchungen der Nassauischen Heimstätte als Sanierungsträger zurückgeht. Danach ist die Bevölkerungsstruktur der Altstadt gekennzeichnet durch sozial schwach integrierte und bildungsferne Bevölkerungsgruppen deutscher und ausländischer Herkunft. Der ausländische Bevölkerungsanteil ist mit 33 % im Vergleich zur Gesamtstadt Friedberg mit 12,3 % mehr als doppelt so hoch.
Ziel des Quartiersmanagements ist, die Kommunikation und den interkulturellen Austausch zwischen den vielfältigen Bevölkerungsgruppen zu verbessern, die Ausschließung von Zuwanderern aus der Gesellschaft zu verhindern sowie die Kinder und Jugendlichen als Botschafter zwischen den Ethnien zu stärken und einen niederschwelligen Zugang zur deutschen Sprache, Lesen und Bildung anzubieten. Die Etablierung stadtteilkultureller Treffpunkte, Partizipations- und Vernetzungsprojekte sollen die Teilhabe der vielfältigen Bevölkerungsgruppen am gesellschaftlichen Leben, Bildung, Arbeit und Politik verbessern und eine positive Identifikation mit dem Wohnumfeld ermöglichen, so die Nassauische Heimstätte.
Die bisherige ehrenamtliche Integrationsarbeit soll daher nach den Vorstellungen von rot-grün nun im Rahmen eines Quartiersmanagements professionalisiert werden – ein Standard, der in vielen anderen Kommunen schon lange Wirklichkeit ist. Das Quartiersmanagement soll in der östlichen Altstadt im Bereich des Fünffingerplatzes durchgeführt werden. Es sollen regelmäßige Projekte zur beruflichen Integration und interkulturellen Verständigung, Sprachkurse für Erwachsene, kreative und partizipative Jugendworkshops, ein Runder Tisch für Integration, Öffentlichkeitsarbeit durch die Einrichtung einer Zeitungs- und Videogruppe sowie soziale Netzwerke etabliert werden. Die Projekte und Ziele des Quartiersmanagements sind nicht mit den ordnungspolitischen Aufgaben der Stadtverwaltung wie z.B. Maßnahmen gegen nächtliche Ruhestörung, Missachtung von Durchfahr- und Parkverboten und Verstöße gegen die Sperrstunde zu verwechseln.
Die von der Nassauischen Heimstätte durchgeführte Sozialraumanalyse ergab, dass die Kommunikationsstruktur im Altstadtquartier zwischen den verschiedenen Ethnien stark eingeschränkt und zwischen den Generationen konfliktreich ist. Es wurde eine ethnische und sozio-ökonomische Segregation der Bewohner festgestellt. Die Konflikte bergen die Gefahr der Entstehung von Parallelgesellschaften. Das Image des Stadtteils, mangelnde Identifikation mit dem Stadtteil und die teilweise mindere Wohnqualität führen verstärkt zur Abwanderung sozial integrierter, bildungsnaher Bevölkerungsgruppen und einem Verbleiben sozial schlecht integrierter und bildungsferner deutscher und ausländischer Gruppen. Die Menschen sehen sich insbesondere im Zugang zu Bildung und sozialem Aufstieg eingeschränkt. Die Nachbarschaften sind deutlich überfordert und können sich nicht gegenseitig unterstützen, sprechen teilweise gar nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander.
All diese Tatsachen seien auch Stoll bekannt, und doch versuche er, eine Verbesserung der Lebensqualität im Wohnquartier Altstadt als Klientelpolitik zu diskreditieren. Eine Professionalisierung und Institutionalisierung der Integrationsarbeit sei dagegen dringend notwendig, um die Situation in Teilen der Altstadt nicht weiter eskalieren zu lassen, das Ausschließen ganzer Bevölkerungsgruppen aus der Gesellschaft und das Entstehen von Parallelwelten zu verhindern. Zudem sollte auch der Vorsitzende der Kernstadt-CDU wissen, dass präventive Arbeit am Ende Geld spart, so Götz und Weitzel.
Die CDU hält in Sonntagsreden immer sehr viel von Integrationsarbeit. Geht es dann aber darum, vor Ort die notwendigen Beschlüsse zu fassen und den hehren Worten praktische Taten folgen zu lassen, werden mit fadenscheinigen Begründungen konkrete Maßnahmen abgelehnt und als Sozialromantik verunglimpft.
Gänzlich abstrus werde die Kritik, wenn ausgerechnet Stoll als Vertreter der CDU von haushaltspolitischer Vernunft fabuliere. Es ist dieselbe CDU, die über die Landes- und Bundespolitik die Kommunen finanziell handlungsunfähig macht. Hat man die Haushalte der Kommunen dann kräftig beschädigt, werden diejenigen, die ihren Aufgaben der Daseinsvorsorge nachkommen, der Unvernunft geziehen, so Götz und Weitzel abschließend.
Horst Weitzel Marion Götz