
Mitglieder des SPD-Ortsbezirks Dorheim und Interessierte trafen sich unlängst in der Gaststätte Thüringer Haus zum Politischen Stammtisch und diskutierten das Thema: Rente mit 67 Langfristige Sicherung des Rentensystems oder Rentenkürzung und Weg in die Altersarmut?. Durch die jüngsten Kontroversen an der Spitze der Bundes-SPD um die Folgen der Agenda 2010 und die vom SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Beck geforderte Weiterentwicklung des Reformprozesses zur Schließung von Gerechtigkeitslücken gewann auch das Renten-Thema eine zuvor ungeahnte Aktualität.
Der Dorheimer SPD-Vorsitzende Dr. Klaus-Dieter Rack begrüßte besonders den stellvertretenden Unterbezirks-Vorsitzenden der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus, Karlheinz Hümmer (Butzbach). Hümmer, auch Gewerkschafter und Listenkandidat für die Landtagswahl 2008, berichtete vom Würzburger Kongress der AG60plus, bei dem sich SPD-Vorsitzender Beck deutliche Kritik der SPD-Senioren an der Rentenpolitik (jahrelange Nullrunden) und am Projekt Rente mit 67 gefallen lassen musste.
Die Regierungskoalition von CDU und SPD verabschiedete im März 2007 im Bundestag das Gesetz zur Rente mit 67, das als notwendiger Schritt zur langfristigen Sicherung des Rentensystems angesehen wird. Erfreulicherweise leben die Bundesbürger zwar immer länger, somit wächst aber auch die Zahl der Rentenberechtigten und die Rentenbezugszeiten erhöhen sich. Hingegen schwindet die Zahl der Beitragsleistenden durch geringere Zuwanderung, stärkere Auswanderung und durch den Eintritt der geburtenschwachen Jahrgänge (Stichwort Pillenknick) in den Arbeitsprozess.
Ein späterer Renteneintritt bedeutet somit mehr Beiträge der Erwerbstätigen und Entlastung der Rentenkassen. Das Gesetz Rente mit 67 beginnt mit der Rentenfähigkeit des Geburtsjahrgangs 1947 ab dem Jahre 2012 zu wirken. Das Renteneintrittsalter erhöht sich für jeden weiteren Jahrgang bis zum Jahre 2029 schrittweise um jeweils einen Monat, sodass die Rente mit 67 dann erstmals für den Geburtsjahrgang 1964 voll zur Geltung kommen wird.
In Teilen der Bevölkerung, insbesondere bei SDP-Mitgliedern und Gewerkschaftern, stieß das Gesetz Rente mit 67von Beginn an auf Kritik, da Ausnahmeregelungen mangeln.
So sind z.B. Maurer, Pflasterer, Dachdecker, usw. hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt, die schon heute ein Arbeiten bis 65 weitgehend unmöglich machen. Auch sind von den über 55-jährigen, trotz erfreulicher Steigerungen in den letzten Jahren, heute immer noch lediglich 50% im Arbeitsprozess. Die gesetzliche Änderung droht somit für zahlreiche Menschen auf deutliche Rentenkürzungen und in deren Folge auf Altersarmut hinauszulaufen.
Der Politische Stammtisch forderte in lebhafter Diskussion von der Bundespolitik sozial verträgliche Nachbesserungen des Renten-Gesetzes. Vorschläge dazu formulierte Vorstandsmitglied Theo Wendel, die sich zum Teil mit Anregungen einer von Kurt Beck eingesetzten Arbeitsgruppe decken.
So sollen körperlich sehr belastete Arbeitnehmer Ausnahmen von der Rente mit 67 erfahren. Ihnen soll bereits ab Alter 60 beziehungsweise nach 35 Beitragsjahren eine volle Erwerbsminderungsrente zugebilligt werden. Auch sind leichtere Zugänge zu Teilrenten zu schaffen, ebenso sollen Chancen verbessert werden, durch Zusatzbeiträge spätere Abschläge beim vorgezogenen Ausscheiden zu verhindern.
Kompetenz und Erfahrung der über 50-jährigen müssten angesichts der Klagen über Fachkräftemangel im Eigeninteresse der Betriebe mehr denn je genutzt werden, gegebenenfalls über den Appellcharakter der Politik an Unternehmen hinaus, wurde in der Runde betont.
Rechtliche Instrumentarien zur Vermeidung vorzeitiger Freisetzung älterer Beschäftigter aus dem Arbeitsprozess müssten genutzt beziehungsweise geschaffen werden.
Auch die betriebliche Fortbildung müsse intensiviert werden. Staatliche Förderung (Initiative50plus) sei auszuweiten, um den Beschäftigungsgrad der über 50-jährigen mehr als bisher zu steigern. Somit könnten durch längere Beitragszeiten letztlich höhere Rentenansprüche erzielt und der vom Sozialverband Deutschland vorhergesagten Altersarmut vieler Rentnerinnen und Rentner begegnet werden.
Die Stammtischrunde betonte, dass sich die derzeitige Arbeitsmarktlage für ältere Menschen in den nächsten Jahren gravierend positiv verändern muss, andernfalls darf die Anhebung des Rentenalters auf 67 gemäß einer vom Gesetzgeber selbst vorgeschriebenen Überprüfungs-Klausel gar nicht wirksam werden.
Der Bericht wurde am 20.10.2007 fast ungekürzt in der Wetterauer Zeitung abgedruckt.